Freitag, 21. Juni 2013

taylor-made problems

Teil I: Turbulente Zeiten

 

Der Glanz alter Tage ist verblast.

Als Sportredakteure für den in Minneapolis ansässigen „Star Tribune“ hatten Jerry Zgoda und Rachel Blount zwar eine kollegiale Beziehung, jedoch hatten Sie Anfang der Neunziger nur selten längere, substantielle Gespräche über ihre Arbeit geführt. Dafür waren ihre jeweiligen Aufgabengebiete zu verschieden. Während Zgoda seit kurzem über die junge Basketballfranchise der Timberwolves berichtete, schrieb Blount etliche Jahre lang hauptsächlich über die ansässige Hockeymannschaft, die North Stars.  

Im Sommer 1994 ersuchte Zgoda jedoch öfter den Rat seiner Kollegin, die im Jahr davor ihr Ressort als Leitreporterin der North Stars verlor, nachdem diese in Richtung Süden schweiften um zu den ‚Dallas Stars‘ zu werden. Auch die Timberwolves, so munkelte man ab dem Februar 1994, sollten in den kommenden Monaten einen neuen Eigentümer finden und in der kommenden Saison in einer neuen Stadt auflaufen. 34 Jahre nachdem die von George Mikan geführten Lakers nach Kalifornien umsiedelten, und nur 3 Jahre nachdem die North Stars im Stanley Cup Finale standen sollte Minneapolis ein weiteres Profiteam verlieren. 

Die Arbeit als Sportberichterstatter ist während eines drohenden Standortwechsels ein mühsames Unterfangen, da man sich völlig umstellen muss. Anstelle von Trainern und Spielern befragt man Politiker, Anwälte und Aktive ziviler Initiativen. Anrufe in entfernten Städten um Wechsel- und Vertragsgerüchten hinterherzujagen wechseln sich ab mit dem Erkundigen nach möglichen Interessenten und deren finanziellen Möglichkeiten. Der Fokus verschiebt sich von einem sportlichen zu einem wirtschaftlich-politischen, wodurch die Arbeit nicht unbedingt weniger spekulativ wird. Blount, so dachte sich Zgoda, müsste wissen, wie man als Sportberichterstatter in solch einer Situation recherchiert. Auf das, was zwischen Mai und Oktober dieses Jahres kommen sollte, konnte ihn jedoch selbst seine erprobte Kollegin nicht vorbereiten.

Harvey Ratner
Harvey Ratner
Nur 4 Jahre nachdem der Geschäftsmann Harvey Ratner, als Hauptinvestor der Timberwolves, professionellen Basketball nach Minnesota zurück gebracht hatte, entschied er sich, die Mannschaft zu verkaufen. Eine Investorengruppe namens „Top Rank“ bekundete starkes Interesse daran, die Franchise zu kaufen und nach New Orleans umzusiedeln. 

 Minneapolis hatte in dem Poker um das Team die schlechteren Karten. Zunächst musste eine Lösung für die Schulden, die durch die Spielstätte der Wolves, das Target Center, entstanden sind, gefunden werden. Obwohl der zivile Support für die Timberwolves hoch war, sträubte sich ein Großteil der Bürger Minnesotas davor, Steuermittel als Bailout für die Schulden in Betracht zu ziehen, die durch den Multimillionär Ratner verursacht wurden. Top Rank hingegen bot an, neben dem Abkauf der Franchise zusätzlich etwa ein Drittel der Schulden zu begleichen. Entgegen dem erklärten Willen der Bürger entschloss sich Minnesotas Legislattve ca. 48 Mio. $ für den Kauf des Target Centers bereit zu stellen. Dies wäre jedoch nur realisierbar gewesen, wenn ein  lokaler Abnehmer für die Franchise gefunden werden würde. Ende April gab Top Rank ein Gebot von ca. 153 Mio. $ für die Franchise ab, welches von der Eigentümergruppe um Harvey Ratner Mitte Mai angenommen wurde. Am 6. Juni wurden die notwendigen Verträge und Unterlagen an die NBA übermittelt. Das Endkapitel schien geschrieben. Medienvertreter kehrten Minnesota langsam den Rücken zu und fingen an über den Namen der zukünftigen Mannschaft in New Orleans zu spekulieren, sowie sich zu fragen, wo Heimspiele bis zur Errichtung einer neuen Arena stattfinden würden.

Retter in höchster Not: Glen Taylor
Dann der Hammer: Völlig unerwartet blockierte das für solche Fälle zuständige Gremium der NBA den Umzug der Wolves nach Lousiana. Unter David Sterns Regentschaft änderten bislang sechs Mannschaften ihre Anschrift – Minnesota und zuletzt Sacramento waren bislang die einzigen Vetos. Top Ranks Fianzierungsplan schien den Entscheidungsträgern zu wackelig: Von den geboten 153 Millionen Dollar waren 76 Millionen als Bankkredite verbucht, die noch nicht gewährt waren. Weitere 50 Millionen waren als Einkünfte deklariert, die innerhalb der noch zu bauenden Arena gemacht werden würden. Dieser Entscheidung folgte ein Gerichtsstreit zwischen Top Rank und der NBA, sowie der NBA und der Eigentümergruppe der Timberwolves. Die Liga gewann beide Verhandlungen und stellte sicher, dass die Timberwolves zumindest für ein weiteres Jahr in Minnesota verbleiben würde. Wäre innerhalb dieses Jahres kein lokaler Abnehmer gefunden worden, hätte sich das ganze Drama wiederholen können. Im Oktober fand sich jedoch in Glen Taylor schließlich ein lokaler Käufer. Die Stadt übernahm die Kosten für das Target Center. Minnesota Basketball war gerettet. 

Hauptinvestoren der Top Rank-Gruppe:
Houstons Ex-Bürgermeister Fred Hofheinz &
Boxpromoterlegende Bob Arum
Jerry Zgodas Kolumne schrieb sich während des letzten Parts der Minnesota Relocation-Story deutlich leichter als noch während der tumultreichen Monate um den Juni. Er hatte Gewissheit, dass er weiterhin als lokaler Basketballreporter arbeiten und sich wieder verstärkt um die sportliche Seite kümmern konnte. Und obwohl er einige Jahre später den Tribune doch verlassen und die gesamte Kevin Garnett Ära verpasst sollte, ist er zurückgekehrt und schreibt auch heute noch an alter Wirkungsstätte über die Wolves. Und auch wenn Rachel Blount beim Tribune inzwischen an anderen Ressorts schreibt, muss Sie nicht mehr um den Zustand ihrer Lieblingssportart in ihrem Heimatort trauern, denn im Jahre 2001 kehrte der professionelle Eishockey mit den „Wild“ nach Minnesota in die an Minneapolis grenzende „Zwillingsstadt“ St. Paul zurück. 


„Minnesota Basketball war gerettet.“ War es das? Teil II wird einen Rückblick auf die Timberwolves unter Glen Taylors Kontrolle geben. Teil III soll ein Ausblick auf die Timberwolves unter der zukünftigen Kontrolle von Flip Saunders werden.

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