Montag, 24. Juni 2013

taylor-made problems

Teil II: Familiendramen

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Im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg und dem Anbruch der TV-Ära trat in den Vereinigten Staaten eine Polung zur gesellschaftlichen Konformität hin, die sich ebenfalls im politischen und kulturellen Raum spürbar war. Den deutschen Nationalsozialismus als feindliche Ideologie ablösende Kommunismus brachte für die US-Amerikaner starke innerstaatliche Konsequenzen mit, obwohl dieser neue sowjetische „Klasenfeind“ so weit entfernt war. Die Methoden, die in den 1950ern unter der von Senator Joe McCarthy befeuerten ‚Roten Angst‘ angewandt wurden schürrten in weiten Teilen der Bevölkerung Misstrauen gegenüber der Kritik an politischen Autoritäten bzw. Gedankengutes, welches vom gesellschaftlichen Gruppendenken abwich. In Medien, vor allem im Programm des sich rasant verbreitenden Fernsehens, wurde das Bild des „guten“ jungen amerikanischen Mannes verbreitet: Sei patriotisch, arbeite hart, heirate jung und sorge für Nachwuchs, sei treu und gehe zur Kirche – ohne dieses System zu hinterfragen. Zu behaupten, ein jeder, der von dieser Schiene abwich, würde direkt als Kommunist beschimpft werden, würde zu weit gehen. Jedoch förderte ein nonkonformer Lebensstil zumindest Misstrauen, welche in der sozialen Sphäre sowie der Arbeitswelt Repressalien nach sich ziehen konnten. Nonkonformität war unkomfortabel. 

Glen Taylor wuchs in den 1950ern heran. Als Farmjunge entdeckte er neben der Liebe für das wortwörtlich eigene Land auch das harte Arbeiten im zumeist kalten Minnesota früh kennen. Harte Arbeit sowie die Verbundenheit mit dem Staate Minnesota zieht sich wie ein roter Faden durch die Biographie: Das Studium der Mathematik, Physik und Sozialwissenschaften finanzierte er sich durch das Aushelfen in einer Großdruckerei, die er später erwarb, indem er den Kaufbetrag in Raten zehn Jahre lang abbezahlte. Um sich den nötigen betriebswirtschaftlichen Hintergrund anzueignen besuchte Taylor nach dem Abschluss der Heimatuni zusätzlich die Harvard Business School. Innerhalb einiger Jahrzehnte gelang es ihm, die ‚Taylor Corp‘ von einem gerade mal jährlich 190.000 Dollar umsetzenden Unternehmen zu einem weltweit operierenden Konzern mit Milliardenumsätzen zu formen.

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Sehen sich oft: David Stern & Glen Taylor
Taylors Engagement im politischen und wirtschaftlichen Sektor ist breit gefächert. Alleine in Minnesota war er unter anderem Senator, Direktor der Handelskammer sowie mehrerer minnesotaer Geschäftskooperationen, dazu im Gestalten des kirchlichen Lebens involviert. Auch in der NBA übernahm er außerhalb Minnesotas außergewöhnliche Verantwortung: Als Vorstandsvorsitzender des ‚Board of Governors‘ hat er in kritischen Fragen großen Einfluß – sei es zuletzt in den Umzugsverhandlungen der Kings oder der Aufsetzung eines neuen CBA. David Stern und die Riege der Franchisebesitzer vertraut ihm. Taylor hatte mit den Grundsätzen, die er als Jugendlicher verinnerlicht hatte – Loyalität, Konformität und Sparsamkeit – beachtliches erreicht und wandte diese aus der Gewohnheit, Erfolg zu säen, auch auf das Führen einer Basketballmanschaft an.

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Kev 'n Kev
Ein Jahr nach Taylors Übernahme sollten drei weitere Gesichter zu den Timberwolves stoßen, die der Organisation lange erhalten bleiben sollten. Nach einer desaströsen Saison, die beitrug, einen Ligarekord für die mesiten aufeinanderfolgenden Spielzeiten mit 60+ Niederlagen aufzustellen, verpflichtete Taylor Kevin McHale als General Manager, der erst zwei Jahre vor diesem Engagement als Spieler zurückgetreten war. Dessen erste Amtshandlungen war direkt eine Goldene: Mit dem fünften Pick im Draft wählte McHale Kevin Garnett im Draft. In der kommenden Saison beförderten McHale und Taylor außerdem Assistenzcoach Philip, genannt „Flip“ Saunders zum Head Coach. Die Karriere des davorigen Coaches, Bill Blair war damit nach gerade mal 108 Spielen (73% davon Niederlagen) beendet.

Die Entscheidung, Kevin Garnett zu draften war bei weitem kein No-Brainer. Obwohl Garnetts Potential ersichtlich war, war er der Spieler seit über 20 Jahren, der den Sprung direkt von der High School in die NBA wagen würde. Nach all den Jahren historischem Misserfolgs benötigte Minnesota sofort einschlagendes Talent und Garnett galt als womöglich überschätztes Projekt, das einige Jahre brauchen und an der signifikanten Rolle so früh in der Karriere kaputt gehen könnte.

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Gute Zeiten an der Minnesota Uni:
Klay Thompsons Sohn Mychael (l.),
Flip Saunders (2. v. l.) & Kevin McHale (2. v. r.)
Saunders war zu Jugendzeiten ein All-American. Obwohl er nicht aus Ohio kam, spielte er an der University of Minnesota Basketball und bildete mit Kevin McHale und Mychael Thompson ein Star-Trio. Wenige Wochen nachdem Saunders hörte, dass die Timberwolves unter neue, lokale Regentschaft kommen würden, war er nur einige Meilen außerhalb der Grenzen Minnesotas als Trainer tätig. Als einstiger Standout, der seine beste Zeit in diesem Staat verbrachte, witterte er seien Chance und schrieb schrieb Glen Taylor an, worauf dieser ihn zu einem Gespräch einlud. Nur wenige Tage nach diesem Gespräch bot Taylor dem damals 39-jährigen Saunders das Amt des General Managers an, welches Saunders zunächst ausschlug um eine Position in Minnesotas Trainerstab einzunehmen.

Nach Garnett folgte ein weiterer, seltener Coup McHales: Ein Trade am Drafttag für den New Yorker Stephon Marbury. Angeführt von Marbury, Garnett und Tom Gugliotta erreichten die Timberwolves 1997 ihre erste Playoffplazierungen, wurden jedoch in der ersten Runde von Houston gesweept. In den sieben darauf folgenden Jahren sollten die Wolves die Playoffs erreichen, jedoch bis auf die Saison 2003/04 immer in der ersten Runde ausscheiden. Mit dem in dieser Saison erworbenen Kern um Latrell Spreewell und Sam Cassell neben Garnett erreichten die Wolves 2004 die Western Conference Finals, ehe man gegen die Los Angeles Lakers ausschied. 

In Kevin Garnett fand sich eine Person, die Glen Taylors Ideale auf dem Spielfeld verkörperte. Ein akbribisch arbeitender Teamspieler, bedingungslos Einsatz brachte, keine Ausreden suchte (in 12 Jahren Minnesota weniger als 30 Spiele verpasst) und ebenso bedingungslos loyal war. Die Macher hinter den Kullisen waren allesamt Produkte Minnesotas. Und selbst dieser Junge aus South Carolina hatte für diese miserable Franchise ohne sich zu beschweren so viel Liebe und Kraft seiner leistungsstärksten Phase gekostet wie es eigentlich nur Spieler tun, die eine familiäre Beziehung zu ihrem Umfeld haben. Und selbst dann ziehen viele Spieler berechtigterweise die Reissleine viel früher wie im Falle LeBron James.

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Steph' n Kev.
Zugegeben, Garnett war zuweilen an der Situation mitverantwortilch. Der 126 Millionen Dollar Monstervertrag, den er 1998 unterschrieb sorgte nicht nur für die ersten Lockout, sonern machte es auch für den kleinen, eisigen Markt Minnesota schwer, weitere kompetente Talente zu verpflichten. Dieser Vertrag war es auch, der in den sowieso eher schwierigen Charakteren Stephon Marbury und Latrell Sprewell Neid erwecken ließ um diese aus der Stadt zu treiben. Unvergessen bleibt Sprewells Antwort auf das Ausschlagen von Minnesotas Angebot von 21 Millionen Dollar über 3 Jahre: „Ich habe eine Familie zu versorgen. Wenn Glen Taylor will, dass meine Kinder was zu Essen bekommen, sollte er lieber ein bisschen mehr Geld klar machen.“

Dennoch, Garnett  war ein Talent seltenen Kalibers. Seine Vielfältigkeit ermöglicht es nicht nur ihm, eine große Rolle in der Offensive sowie Defensive einer Mannschaft einzunehmen. Sie macht die Planung einer Mannschaft auch extrem flexibel, da eine breite Zahl an Spielertypen neben ihm funktionieren kann. Die Schuld, dass Garnett während seiner besten Jahren so wenig erreichen konnte lag in erster Linie in dem Kreis um Taylor, McHale und Saunders. Taylors akkomodierender Managmentstil lies konstruktive Kritik, innovative Denkweisen und nötige Veränderungen innerhalb der Entscheidungsfront im Keime ersticken. Nonkonformität und daraus resultierende Unkomfortabilität war nicht erwünscht. Wenn man etwas weiter hinter die Kulissen blickt und sich die betriebswirtschaftilche Seite der Timberwolves anschaut, erkennt man, dass der Großteil dieser Personen ebenfalls eine längere geschäftliche Beziehung zu Taylor hegt. Die gesamte entscheidungstragende Instanz des Vereins verkam schon mit der Übernahme Taylors zum Country Club.

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AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH.
Selbst die Ernennung David Kahns zum General Manager folgte diesem, für ein Multimillionen Dollar-Unterhemen, peinlichem Muster: Kahn engagierte sich eine zeitlang in der D-League und pflegte eine sehr gute Beziehung zum Anwaltskollegen David Stern. Als Glen Taylor zum Vorsitzenden des Board of Governors ernannt wurde und 2009 einen Nachfolger für GM Kevin McHale suchte, schlug Stern dem in der Basketballwelt wenig vernetzten Taylor seinen Kumpel David Kahn vor.

Das Schaffen einer Arbeitskultur, in der niemand fürchten musste, Rechenschaft abzulegen. Das Unvermögen, Stars mit Talenten zu umstellen. Das Joe Smith Fiasko, welches den Wolves 5 Erstrundenpicks kostete. Die Ernennung Kahns zum GM sowie dessen Verschwendung von Draftpicks und Talenten – die Verfehlungen des Systems um Glen Taylor, das in der freien Wirtschaft solch raren Erfolg genoss und einst als Retter des Basketballs in den Twin Cities gefeiert wurde, ist lang.

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Sehr lange, wahrscheinlich zu lange zusammen gewesen:
Saunders, McHale, Garnett, Taylor
Zeiten ändern sich. Einige Dinge ändern sich, Anderes bleibt bestehen. Glen Taylor und Flip Saunders (1994-2005 in Minnesota tätig) starten einen neuen Versuch in Minnesota. Der nächste R.C. Buford oder gar solch ein radikaler Zahlenspeiser wie Darryl Morey wurde in Minnesota nicht gesucht. Flip ist in erster Linie da, weil man Flip kennt. Er ist einer der guten alten Jungs von damals und Glen Taylor fühlt sich mit ihm wohl. Die beiden Kevins haben Minnesota verlassen. McHale (1995-2009 in Minnesota tätig) schickte in einer seiner letzten Amtshandlungen als General Manager Garnett (1995-2007 in Minnesota tätig) nach Boston, wo dieser unterhalb des Trikots mit der Nummer 35, das zu Ehren McHales rühmlicher Zeiten bei den Celtics von der Decke hängt,  zwei Meisterschaften feiern sollte. McHale arbeitet inzwischen als Head Coach für einen der innovationsfreudigsten General Manager der Liga. Im Dezember 2012 trafen Garnett im Spiel seiner Celtics gegen die Rockets wieder auf seinen einstigen Mentor. Kevin McHale zog sich zuvor für einige Zeit aus dem Rampenlicht zurück um in Stille um seine verstorbene Tochter Sasha zu trauern, die quasi mit Kevin aufgewachsen ist. Glen Taylors Timberwolves wurden wie eine Familie geführt. Mit all den negativen Konsequenzen die daraus folgten. Und obwohl Garnett genug Grund hat um auf McHale sauer zu sein – Familie bleibt letztendlich Familie und in Zeiten der Trauer wird vergeben und unterstüzt. McHale, der nach Sashas Tod nicht über das Thema sprach, sich professionell verhielt und sich nichts anmerken liest, sank bei den persönlichen Worten Garnetts für einen Augenblick kraftlos und mit mit Tränen in den Augen in dessen Arme. 

Kevin und Kevin sind weg. Flip istzurück. Hoffnungen und (vor allem) Ängste über die Taylor/Saunders Ära 2.0 in Teil III.

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